Albert von Stade wurde Ende des 12. Jahrhunderts in Norddeutschland geboren. Er war bis 1240 Abt des Benediktinerklosters St. Marien in Stade an der Unterelbe und schrieb eine bis zum Jahr 1256 reichende Weltchronik. Beim Jahr 1152 seiner Chronik fügte er eine Erzählung über die beiden jungen Mönche Bruder Tirri und Bruder Firri ein. Die Brüder vertrieben sich am Heiligabend jenes Jahres die Zeit mit mathematischen Denksportaufgaben, die Albert auch in seiner Chronik genau wiedergibt.
In gewisser Weise ist Carsten Müller ein Nachfolger Alberts von Stade. Carsten Müller wurde 1957 in Sachsen geboren. Von 1990 bis 2022 leitete er 25 = 32 Jahre lang das Carl-Zeiss-Gymnasiums in Jena, und er schrieb dieses Buch, dessen Vorwort Sie gerade lesen. Es ist eine Erzählung über die beiden jungen Brüder Nomi und Mino, die an 13 Tagen 13 Themen aus der Welt der Zahlen entdecken und erforschen. Für abergläubische Menschen ist die 13 nur eine Unglückszahl, aber für Zahlenliebhaber und ‑liebhaberinnen die kleinste Mirpzahl, also eine Primzahl, die eine andere Primzahl ergibt, wenn man die Reihenfolge ihre Ziffern umkehrt. Aus der Primzahl 13 wird dadurch die Primzahl 31, die wegen 25 – 1 = 31 eine Mersenne-Primzahl ist und sich aus der Zahl der Jahre ergibt, die Carsten Müller Schulleiter war. „Alles ist Zahl!“, wie Pythagoras schon vor über zweieinhalb Jahrtausenden wusste. Dieses Buch ist nicht Carsten Müllers erstes Buch. Er veröffentlichte bereits „50 Jahre Spezi in Jena“ (Norderstedt, 2013), „Die Spezi Jena – 2013 bis 2023“ (Norderstedt, 2023), „Tangram“ (Norderstedt, 2020), „Kartenspielerfiguren“ (Norderstedt, 2012), „Kartenspielerfiguren 2“ (Norderstedt, 2017), „Kartenspielerfiguren 3“ (Norderstedt, 2018), „Kartenspielerfiguren 4“ (Norderstedt, 2019) und „Kartenspielerfiguren 5“ (Norderstedt, 2023). Die ersten drei Bücher sind sprudelnde Quellen der Unterhaltungsmathematik.
Natürlich könnte man den Inhalt dieses Buches auf Formeln, mathematische Definitionen und knappe Kommentare reduzieren. Es wäre aber dann wie Astronautenkost: sehr nahrhaft und sonst nichts. Erst durch die schönen Geschichten über die beiden Brüder Nomi und Mino und ihren freundlichen, klugen und hilfsbereiten Opa mit seiner gutsortierten Bibliothek wird daraus ein wohlschmeckendes Gericht. Aber das Auge isst bekanntlich mit, und darum sollte ein Gericht nicht nur nahrhaft und wohlschmeckend, sondern auch noch ein Augenschmaus sein. Und so kommt nun Hans Meinl ins Spiel. Er ist Physiker und Zeichner, wurde 1952 in Mecklenburg geboren und hat in Jena viele Jahre lang das Zeiss-Planetarium geleitet und später auch noch als Kustos im Optischen Museum gearbeitet. Seit dem Ende seines Berufslebens widmet er sich verstärkt dem Zeichnen. Seinen wunderschönen Illustrationen dieses Buch sieht man an, dass er nicht nur ein talentierter Zeichner ist, sondern auch in der Mathematik zu Hause ist. Auch Hans Meinl hat schon mehrere Bücher veröffentlicht: „60 plus 1 Plakate: eine Auswahl entstanden zwischen 1971 und 1984 zum allergrößten Teil für den FDJ-Studentenklub ,Rosenkeller‘ der Friedrich-Schiller-Universität Jena“ (Jena, 2016), „Kurze Bildgeschichten von Spain“ (Jena, 2018) und „Mit Drache und Nixe durch die Stadtgeschichte: Ein Comic für Schüler in Jena“ (Jena, 2025).
„Die ganzen Zahlen hat der liebe Gott gemacht, alles andere ist Menschenwerk“, behauptete im 19. Jahrhundert der große Mathematiker Leopold Kronecker. Auch wenn die Bibel es nicht erwähnt, hat der liebe Gott, wie Kronecker glaubte, anscheinend schon an einem der sechs Schöpfungstage die ganzen Zahlen geschaffen und die Menschen aufgefordert, sie sich untertan zu machen. Und das versuchen sie schon seit Jahrtausenden. Mathematiker und Laien, Zahlentheoretiker und Zahlenliebhaber ordnen Gottes Schöpfungen zu Quadratzahlen, Kubikzahlen, Fakultäten, Dreieckszahlen, Pyramidenzahlen, Primzahlen, Armstrong-Zahlen, Fibonaccizahlen, vollkommene Zahlen, befreundete Zahlen und zu unzähligen weiteren Gruppen. Mit oft mühsamer und langwieriger Kopfarbeit versuchen sie immer mehr und größere Mitglieder dieser Gruppen zu entdecken und die Verwandtschaft zwischen diesen Gruppen zu finden. Von diesem Menschenwerk und von den Menschen, die an diesem Menschenwerk arbeiteten, berichtet Carsten Müller in diesem Buch. Hans Meinl hat dafür etwa drei Dutzend Porträts von Mathematikern gezeichnet, die an diesem Menschenwerk gearbeitet haben.
In der Odyssee schrieb Homer, die Lotophagen seien süchtig nach den Früchten eines Lotosbaumes. Leopold Kronecker verglich einmal die Zahlentheoretiker mit den Lotophagen. Haben sie auch nur einmal von der Kost der ganzen Zahlen etwas genossen, können sie nie wieder davon loslassen. So geht es auch den beiden Brüdern Nomi und Mino in diesem Buch und ihrem Opa, einem ehemaligen Mathematiklehrer, der eine auffällig starke Ähnlichkeit mit Carsten Müller hat: Die Zahlen werden sie ihr Leben lang in ihren Bann ziehen. Und ich vermute, Ihnen wird es nach der Lektüre dieses Buches nicht anders gehen.
Heinrich Hemme
Roetgen, 2025 = (20 + 25)2
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